Schweiz

Genossenschaftswelt führt Geno Ratio und Geno Faktor ein

Genossenschaftswelt führt Geno Ratio und Geno Faktor ein – oder warum es in Deutschland eigentlich 95.000 Genossenschaften geben sollte. Raiffeisen – Mensch, was hat man deiner Idee bloß angetan?

Was einst als tolles Konzept gestartet ist, dümpelt heute vor sich hin.

   *************************update  1.03.2018*********************
Die Statistik des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften (ZdK) für das Jahr 2017 ist ernüchternd. Insgesamt wurden 188 Genossenschaften neu in die Genossenschaftsregister eingetragen.  Das sind sechs mehr als im Vorjahr. Dem stehen insgesamt 185 Löschungen gegenüber. Somit gibt es im Vergleich zum Jahr 2016 nur drei Genossenschaften mehr. Ein Großteil der Löschungen sind das Ergebnis der BVR Fusionspoltik die hier thematisiert wird.

   *************************update  1.03.2018*********************

Ist Raiffeisen ein Spanier, ein Franzose, ein Italiener, Pole, Finne oder Ungar? Natürlich nicht, er ist ein Deutscher. Schaut man sich allerdings in diesen – und noch viel mehr europäischen Ländern – die aktuellen Entwicklungen zum Genossenschaftssektor an, käme man nicht darauf, dass er ein Deutscher war.

Deutschland ist in Europa von einem Vorbild-Land zu einem Entwicklungsland in Sachen Genossenschaften geworden.

Netto – nach Abzug von Löschungen – haben sich im Jahre 2016 die Genossenschaften in Deutschland nur um „sehr müde“ 23 (!) Genossenschaften vermehrt. Das ist im Vergleich zu anderen Rechtsformen ein absolutes „Tief“.

Nun könnte man meinen, diese negative Entwicklung sei in anderen europäischen Ländern ebenfalls negativ. Stimmt aber nicht, absolut nicht. Genau das Gegenteil ist der Fall!

Deutschland ist – im Verhältnis zu anderen Ländern – eine Art Entwicklungsland geworden!

Natürlich passen solche Feststellungen nicht in das Bild derer, die gerade mit dem Namen des exzellenten Ideen-Gebers für Genossenschaften, Friedrich Wilhelm Raiffeisen eine große angelegte Verbandspropaganda starten. Im Jahre 2018 findet „200 Jahre Raiffeisen“ statt. Man wäre dumm, wenn man das nicht für sich nutzen würde. …

Unklar bleibt, was es eigentlich zu feiern gäbe, denn in Deutschland gibt es lediglich 7500 Genossenschaften (2016), während es – bei zum Teil erheblich niedrigeren Einwohnerzahlen – in Spanien 20.100, in Italien 39600 oder Frankreich 22600 Genossenschaften gibt.

Auch kann nicht als Entschuldigung angeführt werden, dass es in Deutschland keine Resonanz für Genossenschaften gäbe. Derzeit stehen – so genossenschaftstypische Werte, wie Teilhabe, Transparenz, Vertrauen oder Selbstorganisation – bei den Menschen in Deutschland hoch im Kurs.

Und übrigens , wir hatten in Deutschland bereits einmal über 52.000 (!) Genossenschaften. Wir hatten auch Zeiten, in denen jährlich 2.000 bis sogar 5.000 neue Genossenschaften gegründet wurden!

Es liegt also weder an der guten Idee von Herrn Raiffeisen, noch an einer Distanz der Deutschen zu Genossenschaften oder Genossenschaftswerten oder gar daran, dass Wirtschaft in Kooperation von den Menschen nicht aufgegriffen würde.

Worin auch immer die Gründe liegen mögen, das extrem schlechte Ergebnis für Genossenschaftsgründungen fordert zum Handeln förmlich heraus.

Aber wer sollte das tun?

Die Großverbände, die sich bisher als alleinige Sachwalter in Sachen Genossenschaften gegenüber der Politik dargestellt haben? Wohl kaum, denn sie tragen – indirekt oder direkt – entscheidende Verantwortung für das schlechte Bild.

Oder die Wissenschaft? Die genossenschaftlichen Forschungsinstitute an Universitäten sind solange nicht unabhängig, solange sie vom Geld von genossenschaftlichen Groß-Verbänden oder deren Unternehmen abhängen.

Die Politik? Die Lobbyarbeit der Großverbände ist in fast alle Parteien sehr gut ausgeprägt.

Ein dringender Wandel ist angezeigt, um diesen Tiefpunkt deutscher Genossenschaftsentwicklung umzukehren.

Und dieser Wandel kann und wird sich nicht einstellen, solange ein „Kartell“ von wenigen Großverbänden den Ton in Deutschland angeben.

Man nennt ihn „Gemeinsamen Ausschuss“ für den Genossenschaftsbereich. Nun gut, dann muss man auch bereit sein, für das Desaster die Verantwortung zu übernehmen.

Ein „weiter so“ oder „wir schaffen das“ kann es nicht geben. Jetzt müssen die Menschen in Genossenschaften und die Genossenschaften selbst, in die Verantwortung gehen.

Die Idee, ein  digitales „GenossenschaftsParlament“ und einen „GenossenschaftsRat“ zu gründen, hat seine dringende Berechtigung.

Wichtig ist jetzt, die hervorragenden Ideen von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch nicht wenigen zu überlassen, sie zu verkörpern. Es gebietet den Menschen, allen Menschen sich damit zu identifizieren, die kooperativ denken und handeln wollen. Dies ist nicht das Vorrecht von denen, die sich mit dieser Idee nur noch geschäftspolitisch zu verbinden scheinen.

Die Statistik zeigt, wie weit Deutschland in Sachen Genossenschaften zurückgefallen ist. Dafür tragen wenige Verbandsfunktionäre aus lediglich 2 Großverbänden die Verantwortung. Fairerweise sei gesagt, eigentlich nur ein Großverband, denn im Bereich Wohnungsbau sind durchaus Unterschiede zu erkennen.

Überträgt am die Anzahl der Genossenschaften verschiedener Länder auf Deutschland – unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einwohnerzahl dieser Länder – dann müssten wir in Deutschland nicht nur 7.500 Genossenschaften haben. Im Vergleich zu Italien müssten es 53.750 Genossenschaften, im Vergleich zu Spanien wären es 35.700, im Vergleich zu Frankreich 27.950, im Vergleich zu Schweden 48.850 und Finnland sogar 76.400 Genossenschaften. Die Relation zur Schweiz ist besonders drastisch, denn nach diesem Vergleich hätten wir eigentlich über 95.000 Genossenschaften haben müssen! Wir haben aber nur 7.500 Genossenschaften in Deutschland.

Wenn das keine Ironie der Geschichte ist: Friedrich Wilhelm Raiffeisen wird ausgerechnet von denen geehrt, die für eine Wirklichkeit verantwortlich zeichnen, die Raiffeisen wohl kaum so gewollt hätte.

Man kann nur hoffen, dass es genug Politiker und Journalisten gibt, die dieses Medien-Spektakel durchschauen und sich ihre eigene Meinung bilden werden. Beginnen Sie einfach damit, die richtigen Fragen zu stellen, wenn man Sie anspricht, sich vor einen „Werbe-Zug“ spannen zu lassen, der längst neben den Gleisen fährt ….

(Die Grundzahlen der Genossenschaften der Länder der Statistik wurde von der europäischen Dachorganisation der Genossenschaften, „Cooperatives Europe“ 2016 veröffentlicht)

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3 Kommentare.

  • […] CoopGo Initiative Genossenschaftswelt  befasste sich bereits im August 2017 erstmals mit der Geno-Ratio. Die Kennziffer Geno-Ratio ermittelt die Anzahl der Genossenschaften pro 100.000 Einwohner und […]

  • Die Frage warum wir in Deutschland so wenig Genossenschaften – wird aus diesem
    beim Genossenschaftsgericht KOBLENZ anhängigen Vorgang deutlich.
    Um den Genossenschaftsgedanken zu fördern und umzusetzen besteht dringender Reformbedarf.
    Genossenschaftsregistersache XXXXXXXX eG
    Sehr geehrter Herr Notar
    hinsichtlich der Eintragung bestehen noch folgende Eintragungshindernisse:
    Satzung:
    -Vorliegend wurde der Zweck der Genossenschaft dahingehend festgelegt, dass dies die Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft der Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes ist. Hierbei werden die Förderzwecke Erwerb und Wirtschaft zusammen verwendet. Grundsätzlich ist eine gegenseitige Ausschließung nicht zwingend und eine Überschneidung zulässig. Dennoch ist nach dem festgelegten Gegenstand der Genossenschaft vorliegend jedoch davon auszugehen, dass lediglich der Förderzweck Erwerb vorliegend gegeben ist. Anhaltspunkte für die Förderung der Wirtschaft, welches die Unterstützung der Mitglieder in ihrer privaten Haushaltsführung umfasst (vgl. Lehleiter/Hoppe in Fachanwaltskommentar Gesellschaftsrecht, 2. Auflage 2010, § 1 RdNr. 6), sind hier nicht ersichtlich.

    -Die Regelung in§ 2 (1) ist unter Berücksichtigung von § 7 Nr. 1 GenG nicht ausreichend. Es ist nicht eindeutig, dass jedes Mitglied einen Geschäftsanteil in Höhe von 100 EUR übernimmt. Festgelegt wurde weiter, dass die Einzahlung sofort in voller Höhe zu erfolgen hat, anzugeben ist jedoch ein Kalenderdatum, vgl. Lehleiter/Hoppe in Fachanwaltskommentar Gesellschaftsrecht, 2. Auflage 2010, § 7 RdNr. 13.

    -§ 7 bestimmt die Bekanntmachungen in der Art, dass diese auf der Homepage der Firma der Genossenschaft erfolgen. Auf Grund der Gesetzesänderung vom 17.07.2017 ist dies nunmehr zulässig. Jedoch gilt diese Möglichkeit nicht für die Einladungen zur
    Generalversammlungen, siehe§ 6 Nr. 4 letzter HS, so dass der Verweis in der Satzung
    unter§ 3 Abs. 1 auf§ 7 der Genossenschaftssatzung nicht ausreichend ist. Hinsichtlich der Einladung durch Bekanntmachung in einem öffentlichen Blatt ist zu beachten, dass es sich hierbei um eine allgemein zugängliche Zeitung oder Zeitschrift handeln muss-das Blatt ist namentlich zu benennen -und dieses im Geschäftsbereich der eG regelmäßig in deutscher Sprache erscheinen muss, vgl. Lehleiter/Hoppe in Fachanwaltskommentar
    Gesellschaftsrecht, 2. Auflage 2010, § 7 RdNr. 9f.

    In dem vorliegenden Prüfbericht wird unter Ziffer 3.3. festgestellt, dass die Wahlperiode in der AGO bestimmt wird. Dies ist nicht zulässig, s.o. Ausführungen.
    Protokoll:
    Die Satzung bestimmt in§ 3 Abs. 7 die Protokollierung der Beschlüsse gern.§ 47 GenG. Vorliegend fehlt in dem eingereichten Protokoll die Festellung der Ergebnisse, so dass die Einreichung eines Berichtiungsprotokolls erforderlich ist.
    Gern. § 11 Abs. 2 Ziffer 3 GenG ist die Bescheinigung eines Prüfungsverbandes der
    Anmeldung einzureichen, dass die Genossenschaft zum Beitritt zugelassen ist, diese liegt hier nicht vor. Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei der Aufnahmebescheinigung um diese handelt und entsprechend ausgelegt.

  • Heidi Mauldin
    17. August 2017 19:52

    Nach meinem Gefühl setzt die MIGROS den Genossenschaftsgedanken deutlich glaubwürdiger um als der „Weltkulturerbe“ Deutschland

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