Warum degeneriet die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft zur Formalität
Weil es der Konkurrenz nicht gelingt, die genossenschaftliche Mitgliedschaft zu imitieren, stellt diese das wohl markanteste Identifikationsmerkmal und eine wertvolle „strategische Ressource“ darstellt. Was einen Wert verkörpert, über den Unternehmen anderen Typs nicht verfügen, macht Genossenschaften unverwechselbar. Doch wie geht die Praxis zum Teil damit um? In Prospektmaterial, das auf die Gewinnung neuer Mitglieder zielt, wird nicht selten damit geworben, dass die Mitgliedschaft einfach zu erwerben sei. Es genügt die Unterschrift der am Beitritt zur Genossenschaft Interessierten unter ein Formular. Sie werden kaum über die durch Gesetz und Satzung bestimmten Mitgliedschaftsrechte wie Teilnahme an Mitgliederversammlungen, Stimmrecht, das aktive und passive Wahlrecht sowie das Recht auf Auskunft und die Organschafts- und vermögensrechtlichen Pflichten eines Mitglieds aufgeklärt. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage lässt sich überprüfen, indem man sich in der Geschäftsstelle einer Genossenschaftsbank nach Details der Mitgliedschaft erkundigt.
In dem Maße, wie die Mitgliedschaft zwar gelegentlich als „Alleinstellungsmerkmal“ betont, aber außerhalb von Werbekampagnen nur zurückhaltend kommuniziert und Mitgliedschaftsanwärtern angetragen wird, findet eine Verwässerung dieses ideellen Kerns einer Genossenschaft bis hin zur bloßen Formalität statt. Bleiben dann während der Zugehörigkeit zum Kooperativ die subjektiven Fördererwartungen aus, die für den Beitritt entscheidend waren, ist der Mitgliedschaft keine wirkliche Bedeutung zuerkannt. Unter solchen Umständen sind die Chancen für eine individuelle Bindung an die Genossenschaft gering. Das Mitglied wird leicht dazu neigen, seine Leistungsbeziehungen auf vorteilhafte Umsatzakte zu beschränken, aber nicht daran interessiert sein, auf der Selbstverwaltungsebene aktiv zu werden.
Es fällt sicher schwer, der Mitgliedschaft einen besonderen Wert abzugewinnen, wenn etwa in der bankgenossenschaftlichen Sparte der Eindruck entsteht, diese organisatorische Zugehörigkeit werde gegen Übernahme von Geschäftsanteilen mit dem Versprechen einer Kapitaldividende „verkauft“. Durch Verblassen des personalistischen Elementes kann ein Klima entstehen, in dem für einen Teil der Trägerschaft die Institution „Mitgliedschaft“, die ein einzigartiges Profilierungsinstrument sein sollte, in die Nähe einer Gelegenheit zu rentabler Kapitalanlage rückt. Häufig wird eine Vernachlässigung des konstitutiven Elementes „Mitgliedschaft“ zum Ausgangspunkt für einen umfassenderen Konturverlust. Für ein positives Selbstverständnis wären demgegenüber eine Aufwertung der Mitgliedschaft und die identitätssichernde Wirkung weiterer Differenzierungspotenziale notwendig.
Quelle: Arbeitsgruppe Genossenschaft & Politik www.igenos.de
Den vollständige Beitrag sowie die Fußnotenverweise finden Sie hier: http://www.genoleaks.de/index.php/2017/01/07/verfremdung-des-systems-genossenschaft-igenos-arbeitspapier-12017-ag-genossenschaft-politik/
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